Mehrere Produkte aus Papier. Inmitten der Produkte steht eine Grünpflanze.

Nachhaltige Papierprodukte: Die neuen Papiere

„Circular Materials“ heißt ein neuer Trend, der bezeichnet, dass wir Abfälle aus Herstellungsprozessen und bislang nicht verwendete Natur-Materialien als Ressourcen für neue Produkte auf nachhaltige Weise nutzbar machen. Das ist auch für die Druckbranche interessant. Die Papierindustrie entwickelt aktuell viele innovative Papiersorten. Brother hat mit einem bekannten Hersteller gesprochen, der Graspapier produziert. Ein Zukunftsmodell?

Für all diejenigen, die mit Papier- und Druckprodukten professionell arbeiten, dürfte schon lange klar sein: Die herkömmliche Papierherstellung hat einen exorbitant hohen Ressourcenverbrauch an Wasser, Energie und Regenwaldholz: So werden rund 35 Prozent aller jährlich gefällten Bäume weltweit für Papierindustrie verwendet, ganz abgesehen von den entstehenden CO2-Emissionen.  
 
Umso interessanter war es, als im Februar auf der Fachmesse Ambiente 2023 besonders nachhaltige Papier-Innovationen vorgestellt wurden, die ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt hergestellt werden. Unter den Neuheiten: Papiere aus Gras, Stein und sogar aus Elefantendung. Ein Kuriosum?  

„Eher eine Zukunftsperspektive“, sagt Karl Augustin vom Traditionsunternehmen Pfleiderer Spezialpapiere. Der Papierhersteller aus Bayern, der seit 1881 Papiere fertigt, stellt seit über fünf Jahren Graspapiere her und vertreibt diese mit zunehmendem Erfolg – immerhin mit einem Anteil von drei Prozent der Gesamtproduktion. 

Graspapier im Profil: sonnengetrocknete Grasfasern

Das geruchlose Graspapier, das ohne Farbstoffzusatz produziert wird und dadurch einen charakteristischen Naturfarbton bekommt, wird vor allem im Lebensmittelverpackungsbereich eingesetzt. So kaufen bei Pfleiderer vor allem Kunden das Graspapier, die Wert auf natürliche, nachhaltige Verpackungslösungen legen. In Bioläden, aber auch für Floristik und Geschenkpapiere kommen die dünnen Graspapiere häufig zum Einsatz. Namhafte Einzelhandels- und Fastfood-Ketten verwenden zudem gern die fett- und wasserabweisenden Varianten, z.B. für Obst- und Gemüseverpackungen oder Burger-Wraps. 
Eine Vielzahl an Nektarinen.
Immer häufiger kommen in der Lebensmittelindustrie nachhaltige Verpackungslösungen wie zum Beispiel Papier aus Gras zum Einsatz
Für die Herstellung von Graspapier werden 20 bis 30 Prozent frische Fasern von sonnengetrocknetem Gras, meist aus regionalen Bezugsquellen, aufbereitet und mit anderen, besser bindenden Faserzellstoffen kombiniert: „Papier lässt sich aus technischen Gründen nicht zu 100 Prozent aus Grasfasern herstellen“, erklärt Augustin den Produktionsprozess: „Grasfasern allein erzeugen keine ausreichende Festigkeit. Damit die Papiere nicht zu schwach sind, setzen wir deshalb Holzzellstoff aus nachhaltiger, FSC- oder PEFC-zertifizierter Forstwirtschaft für eine stärkere Faserbindung zu.“  

Ressourcenverbrauch im Vergleich: Holzpapier versus Graspapier 

Trotz dieses Umstands bleibt die Umweltbelastung bei Graspapier gering: So reduziert die nachhaltige Herstellung des Grasfaserrohstoffs zum Einen den industriellen Wasserbedarf drastisch: laut Haute Innovation auf weniger als einen Liter pro Tonne Zellstoff im Vergleich zu einigen tausend Litern pro Tonne Holzfaserzellstoff. Zum Anderen ermöglicht sie massive Energie-Einsparungen und den kompletten Verzicht auf Prozesschemikalien.  

Das deckt sich mit Aussagen des Papierherstellers: „Für den Einsatz von Gras als Rohstoff in der Papierproduktion sprechen die lokale Verfügbarkeit und die einfache mechanische Aufbereitung der Fasern ohne nennenswerten Wasser- und Chemieeinsatz und mit im Vergleich zur Holzzellstoffproduktion sehr geringem Energieaufwand“, erklärt Augustin. Im Vergleich zur Holzzellstoffproduktion könnten bei diesem Rohstoffkonzept 75 Prozent CO2 eingespart werden, klärt der Experte auf. 

Dazu kommt bei Pfleiderer noch ein modernes Bio-Massekraftwerk, das mit Holzhackschnitzeln und Altholz als Energieträger arbeitet. Ab Ende April 2023 geht dieses in Betrieb. So will die Papierfabrik beim Trocknungsprozess ihrer Papiere den CO2-Ausstoß pro Jahr zusätzlich um 27.000 Tonnen reduzieren und eine CO2-neutrale Produktion ansteuern. 
Fabrikgebäude an einem Fluss, welcher von einem Wald umgeben ist.
Mit alternativen Faserstoffen aus regionalen Rohstoffquellen schaffen wir die Basis für die Entwicklung neuer, nachhaltiger Papier- und Verpackungslösungen“, sagt Karl Augustin, Leiter Produktmanagement und Marketing bei Pfleiderer Spezialpapiere in Teisnach (Bayern). 

Lokalressourcen an Stelle von internationalen Importen 


Die Gräser für das Graspapier werden dem Unternehmen zufolge z. B. auf landwirtschaftlichen Ausgleichsflächen oder Sportanlagen wie Golfplätzen gesammelt. So entsteht kein zusätzlicher Anbauaufwand, Flächen- oder Wasserbedarf. Was viele nicht wissen: Die Papierindustrie ist grundsätzlich ein international geprägtes Geschäft mit intensiver Importlogistik innerhalb Europas, speziell aus Skandinavien, aber auch aus Südamerika. Die Nutzung regionaler Rohstoffe ist deshalb in zweierlei Hinsicht von Vorteil: teure und CO2-intensive Importe werden reduziert, Abhängigkeiten vermieden. 

Zukunftsweisende Alternativen zum Holzpapier 


Obwohl andere Hersteller von Graspapier wie Scheufelen zwischenzeitlich Insolvenz angemeldet haben, ist Graspapier als ein Vorreiter der neuen Papiere durchaus zukunftsträchtig, prognostiziert Augustin: „Es gibt hier deutliches Wachstumspotenzial. Lebensmitteleinzelhändler setzen Graspapier bereits ein. Wir führen Gespräche, dies auch international auszuweiten.“ 

Weitere Alternativen: Weizenstroh, Silphie und Kakaoschalen

Auch mit anderen lokal verfügbaren Faserstoffen experimentiert das Unternehmen schon seit längerem, um neue nachhaltige Papiere herzustellen: so etwa mit Weizenstroh, einem Rohstoff, von dem es allein in Deutschland jährlich 10 Mio. Tonnen Ernteabfall gibt: „Es ist eigentlich nicht zu fassen, dass dieses regional anfallende Material, das hochwertige Fasern für die Papierherstellung liefert, nicht längst im großen Stil als Rohstoffquelle genutzt wird“, findet Augustin und ergänzt: „Mit dem Zellstoff aus Weizenstroh lässt sich die Weizenpflanze jetzt ganzheitlich nutzen. Aus den Fasern der Halme lassen sich z. B. sehr gut Verpackungstüten für Mehl oder Haferflocken herstellen, mit einem Weizenfaseranteil von 60 bis 70 Prozent.“ 
 
Auch Silphie-Fasern gelten dem Papier-Experten zufolge als zukunftsträchtig. Die Fasern der Pflanze, die zunehmend in Biogasanlagen als Ersatz zu Energiemais eingesetzt wird, sind bislang ungenutzte Nebenprodukte und können mit einem Anteil von 35 Prozent für die Papierproduktion eingesetzt werden – mit einem klaren Vorteil für das Ökosystem: „Während die blütenlosen Maispflanzen Monokulturen sind, schaffen die blütenreichen, mehrjährigen Silphie-Pflanzen einen Nährboden und Lebensraum für Bienen und andere Insekten.“ 

„Es ist eigentlich nicht zu fassen, dass so viel Überschussmaterial nicht längst als Rohstoffquelle genutzt wird“ 

Ein weiteres Novum in der Papierproduktion: Kakaoschalen. Auch diese waren bislang Abfallprodukte aus der Schokoladenproduktion: In der Schweiz nutzt Pfleiderer diesen Rohstoff bereits für die Herstellung von Verpackungspapieren. Im Gespräch sind in der Branche hierzulande außerdem Elefantengras (Miscanthus) und Hanf.   

In Sri Lanka stellt das Unternehmen Maximus Ltd. seit 1997 sogar Papiere aus Elefantendung her: Bei einer vegetarischen Futteraufnahme von 180 kg pro Tag entstehen im Dschungel davon täglich nicht nur große Mengen, der Rohstoff enthält auch extrem starke Fasern, die sich gut zu Papier verarbeiten lassen. Die Herstellung erfordert das Sammeln, Kochen, Trocknen und Desinfizieren des Dungs. Anschließend wird er in der Fabrik mit lokalem Recyclingpapier zu weichem Faserpapier verpresst. 

Steinpapier: umweltfreundliche Innovation aus Neuseeland 


Ein ganz anderer Papiertyp als das Graspapier kommt aus Neuseeland mit Ursprung in Taiwan: Steinpapier wird vor allem auf Grund seiner hohen Dichte, guten Belastbarkeit und hellen Farbe hergestellt. Steinpapier kann mit normalen Standardfarben bedruckt werden. Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich hierbei nicht um synthetisches Papier. Es kommt auch kein Zellstoff zum Einsatz. Für die Herstellung von Steinpapier wird zu 80 Prozent Kalkstein (Kalciumkarbonat), zu 20 Prozent das Bindemittel HDPE eingesetzt. Der Rohstoff wird hierbei zu einem feinen Pulver verarbeitet. Das wasserfeste und abwaschbare Steinpapier kann nach dem Gebrauch wieder in Kalkstein umgewandelt und umweltfreundlich recycelt werden. 
 
Laut Website der Stone Paper Company aus Auckland (Neuseeland) weisen die Steinpapiere der Marke „Rockstock“ einen außergewöhnlich guten, ökologischen Fußabdruck auf: Neben niedrigen CO2-Emissionen und einem vergleichsweise geringen Energieverbrauch durch die Nutzung von Sonnenenergie und Abfallstrom, werden bei der Produktion einer Tonne Rich Mineral Paper (RMP) nicht nur die Gewässer von Chemikalien verschont, sondern auch rund 20 Bäume gerettet. Darüber hinaus werden mehr als 107 kg atmosphärische Emissionen vermieden. 
 
Die Bandbreite an nachhaltigen Papieren auf dem Markt, die einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck besitzen als herkömmliche Papierprodukte, ist somit groß. Welche Papierart aus der großen Auswahl von Stein-, Kokos- oder Graspapier sich durchsetzen kann und als massentauglich erweist, bleibt abzuwarten. Den Schritt in Richtung nachhaltige Papierproduktion zu gehen, ist jedoch ohne Frage ein Must-Do in Zeiten der Klimakrise. 
 

Bildquelle

Copyright by Pfleiderer Spezialpapiere 
 
 
Weitere Referenzen:  

https://ecomaximus.com/about-us-3/

https://www.papierwerkstatt-heidelberg.de/produkte/karten/%C3%BCber-elefantendung-papier/  

www.stonepaper.co.nz

 

AE

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