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  7. Wasserstofftrucks oder batterieelektrische Trucks?
E-LKW tankt Strom an Ladesäule.

Wasserstofftrucks oder batterieelektrische Trucks – entweder oder?

In der Nachbarbranche, dem Pkw-Verkehr, stehen alle Zeichen auf Elektroantrieb. Laut einem aktuellen Bericht von BloombergNEF wurden im Jahr 2021 weltweit etwa 5,6 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft. Das ist fast doppelt so viel wie 2020, und, was noch wichtiger ist, es entspricht fast 8 % aller Fahrzeugverkäufe. Die Analysten von Blooomberg führen das auf die größere Auswahl an E-Autos zurück, die nun auch im attraktiven Segment der SUVs erhältlich sind. 

Bei Nutzfahrzeugen sieht die Situation anders aus. Der reine batterieelektrische Antrieb ist im Fernverkehr weiterhin ein Problem, da die Akkus zu schwer und zu riesig sind, um einen 40-Tonner und seine Fracht sinnvoll zu befördern. Dort scheint der Wasserstoffantrieb eine realistischere Option. Allerdings muss Wasserstoff mit hohem Energieaufwand durch Elektrolyse hergestellt werden, weshalb die Brennstoffzelle einen deutlich geringeren Wirkungsgrad hat als der Akku. 

Welche Technologie wird sich auf lange Sicht durchsetzen?

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Das Problem an batterieelektrischen Fahrzeugen ist: die Batterie 

Batteriebetriebene Fahrzeuge haben ein ökologisches Problem in Form ihrer Batterie. In E-Auto-Batterien stecken bereits bis zu neun Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent, bevor das Fahrzeug überhaupt vom Förderband gerollt ist. Zum einen liegt das an der Herstellung an sich und zum anderen am Einsatz von Kobalt, Graphit und Lithium. 

Der Graphit für die Batterien kommt zum größten Teil aus China und hat einen signifikanten ökologischen Fußabdruck. Bei der Lithiumgewinnung drohen Wasserverschmutzung, Freisetzung giftiger Chemikalien und Luftemissionen. Und Kobalt ist aufgrund der Bedingungen, unter denen es im Kongo abgebaut wird, in Verruf geraten. 

Lithium 

Lithium-Ionen-Batterien haben zwar eine hohe Energiedichte und eine lange Lebensdauer, aber die Verfahren zur Wiederverwendung von Lithium sind ineffizient. Und weniger als 1 % von ihnen werden recycelt – im Gegensatz zu Bleisäurebatterien, die mit einer Effizienz von über 99 % wiederverwertet werden. Es ist zu erwarten, dass der Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien aufgrund ihrer Effizienz und aufgrund des wachsenden Marktes batterieelektrisch betriebener Fahrzeuge rasant steigen wird. Das stellt die Recyclingindustrie vor große Herausforderungen. Künftig werden die lithiumverbrauchenden Industriezweige entsprechende Prozesse und Infrastrukturen für ein Recycling des Leichtmetalls entwickeln müssen. 

Ein weiteres Problem ist die Verfügbarkeit von Lithium. Sein Gewichtsanteil an der Erdkruste ist mit geschätzten 0,006 Prozent zwar gering, jedoch ist das Risiko, dass die Lithiumreserven knapp werden, ebenfalls gering. Als problematisch stellt sich vielmehr die aufwendige Extraktion der Minerale dar. Sobald sich Elektrofahrzeuge verbreiten, wird die Nachfrage nach Lithium das Angebot übersteigen, da die Produktion nicht Schritt halten kann. Ein möglicher Ausweg ist die Entwicklung neuer Batterietypen, die auf Kalzium basieren. Kalzium ist nicht nur 10.000-mal häufiger vorhanden als Lithium, sondern kann theoretisch auch eine ähnliche Batterieleistung erbringen. Allerdings gibt es noch einige große Hürden für die Entwicklung von Batterien auf Kalzium-Basis. Eine davon ist das fehlende Wissen über geeignete Kathodenmaterialien, die Kalzium effizient und reversibel speichern und freisetzen können. CATL, inzwischen weltgrößter Batteriehersteller für Autos, will ab 2023 serienmäßig einen Natrium-Ionen-Akku herstellen, der ohne Kobalt, Lithium, Kupfer und Nickel auskommt. Noch bieten Natrium-Batterien allerdings eine deutlich kleinere Reichweite als Lithium-Batterien. 

Ladezeiten 

Problematisch an batteriebetriebenen Fahrzeugen sind vor allem die langen Ladezeiten – ein Totschlagargument im Straßentransport, bei dem es auf jede Minute ankommt. Allerdings gibt es auf der ganzen Welt Pilotprojekte zur Elektrifizierung von Straßen, sodass in Zukunft eine Lösung zu erwarten ist. Forscher der finnischen Universität Aalto berichteten im Februar 2022 von einer neuen Technologie zur Stromübertragung ohne Kabel oder Stecker. Die Möglichkeit der drahtlosen Energieübertragung ist seit längerer Zeit bekannt und an sich keine Neuigkeit. Allerdings sind die bisherigen Systeme nicht in der Lage, Geräte aufzuladen, die sich an einem beliebigen Ort in einem relativ großen Gebiet befinden. Das Problem ist, dass der Stromfluss nicht kontrolliert werden kann, wenn sich mehrere Sender im Gebiet befinden. Die Forscher haben nun eine Energieübertragungstechnologie entwickelt, die unabhängig von Position und Ausrichtung von Sender und Empfänger funktioniert. Lagerroboter, Küchengeräte oder Laptops können überall im Ladebereich mit Strom versorgt werden. Da die Stromübertragung auch dann funktioniert, wenn das Gerät in Bewegung ist, könnte diese Technologie eines Tages Elektrofahrzeuge während der Fahrt mit Strom versorgen.  

Wasserstoffbetriebener LKW mit Brennstoffzelle.

Wasserstoffantriebe sind auch nicht besser? 

Wasserstofffahrzeuge gehen ebenfalls mit einer ökologischen Last an den Start, hier spielt vor allem der aufwändige Wasserstofftank eine Rolle, und Platin, das in der Brennstoffzelle als Katalysator fungiert. Laut einer Studie des Fraunhofer ISE schneiden Fahrzeuge mit Brennstoffzellentechnologie bei höheren Reichweiten ökologisch allerdings deutlich besser ab als Batteriefahrzeuge. E-Fahrzeuge haben lediglich bei kleinen Reichweiten einen Öko-Vorteil. 

Im Vergleich zu batteriebetriebenen Fahrzeugen bieten Brennstoffzellen insbesondere den Vorteil einer schnellen Betankung und einer ausreichenden Kraftstoffspeicherung für Langstreckenanwendungen.  

Hohe Kosten bei der Herstellung 

Ein Problem bei Wasserstoff ist die teure Herstellung. Dies geschieht üblicherweise durch PEM-Elektrolyse (Protonenaustausch-Membran), die als eine der effizientesten Technologien gilt. Die AEM-Elektrolyse (Anionenaustausch-Membran) spielte bisher nur eine Nebenrolle bei der Wasserstoffproduktion, da Leistung und Lebensdauer der bestehenden Lösungen zu gering waren. Bei PEM-Systemen werden allerdings teure Katalysatoren auf Edelmetallbasis und Membranen auf Perfluorkohlenstoffbasis eingesetzt, die hohe Kosten verursachen.  

Allerdings wird nicht nur auf dem Gebiet der batterieelektrischen Antriebe mit Hochdruck geforscht, sondern auch bei den Wasserstoff-Brennstoffzellen. Forscher am Korea Institute of Science and Technology (KIST) haben nun eine Membran-Elektroden-Einheit für AEM-Systeme entwickelt, die deren Haltbarkeit und Leistung erheblich verbessert und gleichzeitig die Kosten für die Erzeugung von grünem Wasserstoff deutlich senkt. Die Leistung der entwickelten Membran-Elektroden-Einheit entspricht dem Sechsfachen der bisherigen AEM-Technologie und in etwa dem 1,2-fachen der teuren PEM-Technologie. Die Wissenschaftler erwarten, dass ihre Entwicklung den Grundstein für die Einführung der nächsten Generation der Wasserelektrolyse legen wird, welche mit einer erheblichen Reduzierung der Produktionskosten einhergeht. 

Überhitzung 

Zudem scheint es für ein weiteres Problem der Wasserstoff-Brennstoffzellen eine Lösung zu geben – die Überhitzung, die vor allem in mittelschweren und schweren Fahrzeugen wie Lkw und Bussen ein technisches Hindernis darstellt. Aktuelle Brennstoffzellen arbeiten bei 60-80 Grad Celsius und benötigen große Kühler und Lufteinlässe, um zu funktionieren. Allerdings haben Wissenschaftler des Los Alamos National Laboratory eine neue Polymerbrennstoffzelle entwickelt, die bei 80-160 Grad Celsius arbeitet und zudem eine höhere Leistungsdichte aufweist. Damit ist es möglich, Brennstoffzellen mit hoher Leistung herzustellen, die unter heißen und trockenen Bedingungen arbeiten können. Zwar ist noch weitere Forschung notwendig, bis die Hochtemperatur-Brennstoffzelle die für Schwerlastanwendungen erforderliche Haltbarkeit erreicht, doch bietet die Neuentwicklung eine Lösung für den mittelschweren und schweren Straßentransport. 

Dünnes Netz an Tankstellen 

Zu erwähnen ist zudem das gegenwärtig noch recht dünne Netz an Wasserstofftankstellen, aber auch auf diesem Gebiet ist Bewegung. Laut der Website H2stations.org gingen im Jahr 2021 weltweit 142 Wasserstoff-Tankstellen in Betrieb, so viele wie nie zuvor. Europa verfügte zum Jahresende über 228 Tankstellen, davon 101 in Deutschland, 41 in Frankreich, 19 in Großbritannien. 

Die Debatte hält an 

Bisher ist es im Schwerlastbereich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Elektrotrucks und Wasserstofftrucks und es ist nicht geklärt, welche der beiden Technologien sich durchsetzen wird – oder ob sie koexistieren.  

Nach einer Studie des deutschen Fraunhofer-Instituts ISI, die Ende Januar 2022 in der Fachzeitschrift Nature Electronics veröffentlicht wurde, bleibt die Brennstoffzelle eine Nischenanwendung; batterieelektrische Antriebe werden sich im Nutzfahrzeugsektor auch in schweren Anwendungen durchsetzen. Dr. Patrick Plötz, Koordinator des Geschäftsbereichs Energiewirtschaft am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Deutschland erklärt, dass der Lkw-Fernverkehr von mehr als 500 km pro Tag zwar eine Herausforderung für batterieelektrische Optionen darstellt, die europäischen Vorschriften jedoch vorschreiben, dass Lkw-Fahrer nach einer Fahrzeit von mehr als viereinhalb Stunden eine 45-minütige Pause einlegen müssen. Reichweiten von etwa 450 km würden demnach ausreichen. Es sei zwar eine durchschnittliche Ladeleistung von etwa 800 kW nötig, um einen Schwerlastzug in 45 Minuten für 400 km aufzuladen (die aktuelle Norm erlaubt bis zu 350 kW), derzeit wird jedoch eine neue Norm für Megawatt-Ladesysteme entwickelt, die eine Ladeleistung von über 2 MW ermöglichen soll; Spezifikationen werden für Ende 2022 erwartet, die endgültige Norm soll 2023 vorliegen.“  

Für Martin Daum, Chef von Daimler Truck, sind Batterie und die Brennstoffzelle bei Lkw hingegen keine konkurrierenden Technologien, „kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch“. In einem Interview mit der deutschen Wirtschafts- und Finanzzeitung Handelsblatt sagt er: „Wenn erst einmal 80 Prozent aller Pkw elektrisch fahren sowie die Hälfte aller Fernlastwagen, werden wir über jeden Truck froh sein, der Wasserstoff tankt“ und begründet, dass „sonst an jeder größeren Raststätte 100 Trucks mit je 700 Kilowatt Leistung parallel laden müssten. Dafür wären 70 Megawatt elektrische Leistung nötig. Und diese Energiemengen an die Raststätten zu bringen ist alles andere als trivial.“ Und Michael Bernath, hauptverantwortlicher Entwicklungsingenieur für den Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw bei MAN äußert sich ähnlich: „Wasserstoff ist die komplementäre Technologie zum batterieelektrischen Antrieb.“ 

Plötz streitet nicht ab, dass Wasserstoff in der Industrie, in der Schifffahrt und bei synthetischen Flugkraftstoffen eine wichtige Rolle spielen wird. Er gibt jedoch zu bedenken, dass Politik und Industrie angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise für den Straßenverkehr nicht darauf warten können, dass die Wasserstofftechnologie aufholt, und empfiehlt, sich auf batterieelektrische Fahrzeuge sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr zu konzentrieren.  

Fazit 

Batteriebetriebene Fahrzeuge werden bereits serienmäßig hergestellt. Die wasserstoffbasierte Brennstoffzelle wird die Serienreife in den nächsten Jahren erreichen. Namhafte Unternehmen der Fahrzeugbranche investieren in die Entwicklung der Brennstoffzelle, darunter Daimler Truck, MAN, Toyota, Hyundai, BMW, Renault und Opel. Auf der anderen Seite stehen Unternehmen wie Traton SE, die klar auf die Batterie setzen.  

In den universitären Forschungseinrichtungen werden ebenfalls beide Technologien vorangetrieben. Fast wöchentlich melden Wissenschaftler Fortschritte bei der Weiterentwicklung klimaneutraler Technologien. Es empfiehlt sich daher, die aktuelle Lage in Forschung und technischer Entwicklung auch über die Landesgrenzen hinaus aufmerksam zu verfolgen.  

Die weitere Entwicklung hängt von politischen Entscheidungen ab, da es letztendlich die Staaten sind, die durch die Art ihrer Subventionen die Entwicklungen lenken. 

Der Transport- und Logistiksektor steht infolge der Dekarbonisierung vor großen Herausforderungen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Investitionen unabdingbar. Die Europäische Union hat eine Reihe von Förderprogrammen aufgesetzt, die besonders für kleine und mittlere Unternehmen aus der Speditionsbranche interessant sind. In unserem Whitepaper geben wir dazu einen Überblick samt Tipps, wie man sich die Förderungen zu Nutze machen kann.

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Quellen:
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/martin-daum-und-joe-kaeser-im-interview-daimler-truck-bosse-werden-noch-ueber-jeden-truck-froh-sein-der-wasserstoff-tankt/27899298.html 
https://about.bnef.com/blog/electric-vehicle-sales-headed-for-five-and-a-half-million-in-2021-as-automakers-target-40-million-per-year-by-2030/ 
https://www.h2stations.org 
https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/en/documents/News/190815_LCA-BEV-FCEV_Results_EnglishVersion.pdf 

Shamsul Al Mahmud et al, Large-Area Free-Positioning Wireless Power Transfer to Movable Receivers, IEEE Transactions on Industrial Electronics (2022), online unter https://ieeexplore.ieee.org/document/9693346 
Kaushik Yanamandra et al., Recycling of Li-Ion and Lead Acid Batteries: A Review, Journal of the Indian Institute of Science(2022), online unter https://link.springer.com/article/10.1007/s41745-021-00269-7 
Nanjun Chen et al, High-performance anion exchange membrane water electrolyzers with a current density of 7.68 A cm−2 and a durability of 1000 hours, Energy & Environmental Science (2021), online unter https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2021/EE/D1EE02642A 
Katie H. Lim et al, Protonated phosphonic acid electrodes for high power heavy-duty vehicle fuel cells, Nature Energy(2022), online unter https://www.nature.com/articles/s41560-021-00971-x 
Plötz, P. Hydrogen technology is unlikely to play a major role in sustainable road transport. Nat Electron 5, 8–10 (2022), online unter https://www.nature.com/articles/s41928-021-00706-6

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