Grafik-Illustration mit Erdkugel, LKW, Lieferschein auf Klemmbrett und zwei Menschen.

Der digitale Frachtbrief

Es bewegt sich doch etwas in den deutschen Amtsstuben. Nachdem Anfang 2019 bereits knapp 20 Länder den elektronischen Frachtbrief eingeführt hatten – darunter die Türkei, Moldawien und der Iran – passierte das entsprechende Gesetz knapp drei Jahre später auch den Deutschen Bundesrat. Entsprechend erfreulich reagiert auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: „Endlich ist es soweit - der e-Frachtbrief kommt!“ 

Was im allgemeinen Sprachgebrauch als e-Frachtbrief bezeichnet wird, beruht allerdings auf einer sehr amtlichen Verordnung, konkret der eFTI-Verordnung EU 2020/1056. Was diese für eine Bedeutung für deutsche Logistikunternehmen hat – darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Vom Papierdokument zum Datensatz

Ab August 2024 soll bei der Güterbeförderung die besagte eFTI-Verordnung angewendet werden. Das Kürzel eFTI steht für Electronic Freight Transport Information bzw. Elektronische Frachtbeförderungsinformationen.

Die Verordnung bezweckt, die Bereitstellung von elektronischen Informationen zwischen Unternehmen und Behörden zu erleichtern. Sie erstreckt sich auf alle Transportwege, das heißt, sowohl auf den Straßengüterverkehr, als auch See- und Binnenschifffahrt, Schienengüterverkehr und Luftfracht.

Laut der eFTI-Verordnung müssen die Behörden der EU-Mitgliedstaaten in der Lage sein, gesetzlich vorgeschriebene Transportinformationen elektronisch zu empfangen. Für Unternehmen ist das zunächst noch freiwillig. Jedoch soll bis 2029 geprüft werden, ob diese ebenfalls verpflichtet werden sollten, Informationen elektronisch bereitzustellen.

Ein elektronisches Dokument ist in der Regel aber nur dann wirksam, wenn der Aussteller eine qualifizierte elektronische Signatur angefügt hat. Diese muss ihn als Urheber des Dokuments legitimieren und mit den übermittelten Daten verknüpft sein. Hintergrund ist, dass es möglich sein muss, nachträgliche Veränderungen am Dokument zu erkennen.

Wenn Unternehmen elektronische Daten mit EU-Behörden austauschen wollen, müssen sie daher sogenannte zertifizierte eFTI-Dienstleister und -Plattformen nutzen. Die technischen Standards – z. B. für Datenformat, Verarbeitungswege, Fälschungssicherheit – werden von der EU-Kommission erarbeitet. Die Mitgliedstaaten haben dann 30 Monate Zeit, die erforderlichen elektronischen Plattformen für eFTI zu errichten.

Mit den ersten nationalen Anwendungen ist daher ab dem Jahr 2024 zu rechnen.

Nutzen der eFTI-Verordnung für die Logistikbranche

Die eFTI-Verordnung umfasst viel mehr als nur die Frachtbegleitpapiere. Ihre weitreichende Bedeutung ist vor allem, dass sie den Weg zur elektronischen Nutzung sämtlicher weiterer Transportdokumente ebnet. Dazu gehören Lizenzen, Genehmigungen, elektronische Rechnungen, Gefahrgutinformationen oder Abfallverbringungsanzeigen. All diese Informationen sollen auf zertifizierten Plattformen von Behörden und Transportunternehmen geteilt werden können. Dadurch ist es möglich, den Unternehmen Arbeit und Kosten einzusparen und den Güterverkehr effizienter und nachhaltiger zu machen. Kurz, eFTI ist der Schritt hin zu vollständig digitalen Datenaustauschprozessen.

Die eFTI-Verordnung ermöglicht insbesondere einen vertrauenswürdigen Datenaustausch zwischen Logistikunternehmen und Behörden. Da gemeinsam internationale Kommunikationsstandards verwendet werden, steigt das Vertrauen zwischen den Teilnehmern, weil sie untereinander zur Authentifizierung einheitliche Systeme verwenden. Die eFTI-Verordnung geht zudem davon aus, dass die Wirtschaftsbeteiligten Daten an der Quelle austauschen und somit ihre Souveränität behalten, den Zugang zu ihren Daten zu gewähren und zu widerrufen.

Die Digitalisierung von Frachtbeförderungsinformationen eröffnet zudem Verbesserungen sowohl in Bezug auf Kundenservice als auch Effizienz der Transportabwicklung. Beispielsweise können den Kunden mithilfe moderner Cloud-Dienste durchgängige, multimodale Lösungen angeboten werden. Einerseits könnten alle am Transport beteiligten Parteien durch eine End-to-End-Integration der multimodalen Lieferketten gleichzeitig mit Daten versorgt werden. Beispielsweise über Beladung, Abfahrt, Ankunft und Entladung. Für Kunden ist es andererseits möglich, die prognostizierte Transportdauer, die Ankunftszeit und die Rentabilität der Transportroute mit den Angaben im Vertrag zu vergleichen.

"Die eFTI-Verordnung wird die Effizienz aller Arten von Transporten erhöhen, die Kosten für die Betreiber senken, die Durchsetzung vereinfachen und Sprachbarrieren beseitigen. Dies wird die Effizienz des Verkehrs im EU-Binnenmarkt erheblich verbessern", sagt Raluca Marian, Generaldelegierte der Ständigen Delegation der International Road Transport Union IRU bei der Europäischen Union. "Diese Verordnung ist nur ein Ausgangspunkt für die weitere Digitalisierung des Verkehrs."

Es hat sich bereits gezeigt, dass die Verwendung von eCMR anstelle seiner papierbasierten Alternative siebenmal billiger ist. Die Europäische Kommission schätzt, dass der geringere Verwaltungsaufwand, der durch die Verwendung digitaler Formulare entsteht, den Betreibern in den nächsten 20 Jahren Einsparungen von bis zu 27 Milliarden Euro bringen wird. 

  • Verringerung der Verwaltungskosten in den Bereichen Verkehr und Logistik (nach Schätzungen der Europäischen Kommission bis zu 27 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren)
  • verbesserte Gesamteffizienz der Logistikkette, da der elektronische Informationsaustausch zwischen den Wirtschaftsbeteiligten erleichtert wird
  • effizientere Durchsetzung der Güterverkehrsvorschriften in der Union, da Kontrollen erleichtert werden und mehr Daten von hoher und standardisierter Qualität verfügbar werden

Zum Whitepaper: EU-Fördergelder für die Logistikbranche

LKW-Fahrer in Fahrerkabine druckt ein Dokument von seinem Handy auf einem mobilen Drucker aus.
Trotz elektronischen Frachtbriefes wollen manche Kunden immer noch einen Ausdruck. Mit mobilen Druckern können diese auf Wunsch unkompliziert erstellt werden.

Der digitale Frachtbrief kommt KMU zugute

In 99 Prozent aller Lieferketten wird immer noch an irgendeinem Punkt auf Papier zurückgegriffen. Ein Grund ist, dass in Europa verschiedene Softwares für den Austausch von Güterverkehrsinformationen verwendet werden. Diese IT-Lösungen sind häufig inkompatibel, weshalb Fahrer dann doch lieber das Papierdokument verwenden.

Ein weiterer Grund ist das Fehlen eines einheitlichen EU-weiten Rechtsrahmens, der die zuständigen Behörden verpflichtet, die vorgeschriebenen Frachtbeförderungsinformationen in elektronischer Form zu akzeptieren.

Logistikunternehmen und Behörden haben dadurch einen erheblichen Verwaltungsaufwand, der Zeit und Geld kostet. Aus der Metaperspektive betrachtet, führt die papierbasierte Arbeitsweise zu Informationsbrüchen und verhindert dadurch Vernetzung und Transparenz. Aus der Perspektive des Praktikers betrachtet, führt sie beispielsweise zu längeren Wartezeiten bei Kontrollen.

Mit der eFTI-Verordnung werden nun einheitliche Standards geschaffen. Die Verwendung elektronischer Informationen wird dadurch überschaubar. Aufwand und Nutzen der Digitalisierung lassen sich leichter einschätzen und Transportunternehmen werden ermutigt, auf digitale Lösungen umzustellen. Das ist besonders für kleinere und mittlere Unternehmen relevant, da diesen oft Kapazitäten oder Know-how für eine flächendeckende IT-Ausstattung fehlen. Einheitliche Standards schaffen nun Planungssicherheit für langfristige Investitionen in Hard- und Software sowie die Ausbildung der Mitarbeiter.

Wie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr BMDV in einer Pressemitteilung erklärt, entwickelt es im Rahmen des Projekts Silicon Economy gemeinsam mit dem Fraunhofer IML Dortmund eine Open-Source-Anwendung, die die volldigitalisierte Logistikkette in den Mittelpunkt stellt. Zentrales Element ist dabei der elektronische Frachtbrief. Das Open-Source-Projekt kommt KMU zugute, da sie auf dessen Basis eigene Geschäftsmodelle entwickeln können, bei denen durch einen einheitlichen Standard Kompatibilität aber jederzeit gewährleistet ist.

Hintergrund: Der CMR-Frachtbrief

Bei grenzüberschreitenden Lieferungen mit Kraftfahrzeugen wird der CMR-Frachtbrief verwendet. Grundlage ist die Convention relative au Contract de Transport international de Marchandises par Route (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr). Diesem Abkommen haben sich mittlerweile ca. 50 Staaten angeschlossen.

Der CMR-Frachtbrief hat verschiedene Funktionen. Zunächst ist er ein Begleitpapier. Er begleitet die Ware beim Transport und enthält alle wichtigen Daten der Warenlieferung. Zudem beweist er den Abschluss des Frachtvertrages und dessen Konditionen. Schließlich wird mit dem CMR-Frachtbrief die ordnungsgemäße Übergabe der Ware bestätigt. Der Empfänger bescheinigt den Empfang der Ware auf dem CMR-Frachtbrief mit seiner Unterschrift. Damit erhält der Frachtbrief die Funktionen als Beweisdokument und als Empfangsbescheinigung. Es ist auch möglich, ihn als Sperrpapier zu nutzen. Das heißt, dass der Absender nicht mehr nachträglich über die Sendung verfügen kann, wenn er sein Exemplar aus der Hand gibt.

In der Praxis wird der CMR-Frachtbrief meist vom Absender der Ware ausgefüllt. Alternativ kann auch der Spediteur als Dienstleister diese Aufgabe übernehmen.

Sie wollen in den digitalen Frachtbrief oder weitere Digitalisierungsvorhaben investieren? Informieren Sie sich auch zu Fördermöglichkeiten auf EU-Ebene. Mehr in unserem Whitepaper:

Zum Whitepaper: EU-Fördergelder für die Logistikbranche

Weiter zur Kategorie Branchentrends

Ähnliche Artikel

Zurück zum Seitenanfang